Produktivitätsmanagement in Lagerbetrieben ist ein sehr sensibles Thema. Es kann eher zu Frustration bei den Mitarbeitenden führen als zu den erwarteten Verbesserungen. In diesem Beitrag werden wir die Schwierigkeiten anhand eines Kommissionierungsprozesses und der typischen Messgröße „Zugriffe pro Stunde“ untersuchen. Anschliessend wird ein neuer Ansatz zeigen, wie dies zu einen fortlaufenden Verbesserungsprozess führt und auch noch das Potenzial weiterer Vorteile birgt

Treasure Hunt in the Warehouse

Der gemittelte Wert «Zugriffe pro Stunde» versagt als Produktivitätskennzahl

Wenn wir die Kennzahl „Zugriffe pro Stunde“  stundenweise oder zwischen verschiedenen Kommissionierern vergleichen, vernachlässigen wir entscheidende Details. Ein solcher Vergleich basiert implizit auf der Annahme, dass die Aufgaben jedes Kommissionierers, von den Laufwegen bis hin zu den Mengen und Arten der Artikel, identisch sind. Wir berechnen einen einfachen Durchschnitt. Eigenschaften wie Gewicht, Volumen und Sperrigkeit der Artikel können jedoch erheblich abweichen. Eine solche vereinfachte Sichtweise berücksichtigt nicht die Dynamik der Logistik, besonders nicht im kurzfristigen Bereich.

Man könnte argumentieren, dass sich langfristig die Unterschiede zwischen den Aufgaben ausgleichen. Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch externe Faktoren, die die Produktivitätskennzahlen erheblich beeinflussen. Saisonale Nachfrageschwankungen, abweichende Bestellstrukturen und Änderungen im Sortiment beeinträchtigen die Relevanz und Genauigkeit der Produktivitätskennzahl.

Selbst im Idealfall, wenn die Schwankungen so gering sind, dass der Durchschnitt hinreichende Ergebnisse liefert, ermöglicht es die Genauigkeit nicht, tiefer in eine Ursachenforschung einzusteigen, falls Auffälligkeiten entdeckt würden.

Aus der Sicht der Mitarbeitenden sind die erwähnten Schwankungen sehr offensichtlich. Sie erinnern sich wahrscheinlich eher an Umstände, die ihre Arbeit erschweren, wie beispielsweise aussergewöhnlich lange Wegstrecken oder sperrige Artikel. Solche Situationen bleiben eher in Erinnerung als Tage, an denen die Kommissionierlisten eher dem «normalen» Geschäft entsprechen. Eine Kennzahl wie „Zugriffe pro Stunde“, die solche Elemente nicht berücksichtigt, wird als unfair angesehen und löst negative Emotionen aus.

Ausserdem können Vorkommnisse, die als Unterbrechungen oder Unannehmlichkeiten wahrgenommen werden, wie beispielsweise der notwendige Batteriewechsel, als persönliche Beeinträchtigungen interpretiert werden. Dies führt anstatt zu einem konstruktiven Dialog über Produktivität und Arbeitsplatzverbesserungen zu Widerstand und ruft negative Emotionen hervor.

Effizienz als Ansatz

Statt der Durchschnittsbetrachtung „Zugriffe pro Stunde“ bewertet die Effizienz, wie die tatsächliche Leistung im Vergleich zu der unter gegebenen Bedingungen erwarteten Leistung steht. Das Ergebnis ist ein Prozentsatz. Ein Wert über 100% ist besser als erwartet, darunter schlechter. Es scheint kein grosser Unterschied zu sein, aber das Schöne daran ist, dass die Berechnung der Effizienz auf einen Vergleich des erwarteten mit dem tatsächlichen Aufwand reduziert werden kann. Wenn wir Laufwege, Mengen, Anzahl der Zugriffe, Gewicht, Volumen, Sperrigkeit usw. im erwarteten Aufwand berücksichtigen, vermeiden wir die Probleme, die durch den Durchschnittswert entstanden sind. Wir berücksichtigen die Dynamik der Logistik und das Empfinden der Mitarbeitenden.

Die Implementierung einer solchen Lösung könnte einfacher sein als befürchtet. Das flumiq 3P-Modell ist ein strategischer Ansatz zur Berechnung des erwarteten Aufwands pro Lagertätigkeit mit hohem Detaillierungsgrad. Es nutzt Archivdaten aus dem Lagerverwaltungssystem oder anderen Quellen. Dieser datengetriebene Ansatz stellt sicher, dass die Erwartungen realistisch sind und die tatsächlich erreichten Leistungsniveaus des einzelnen Betriebs widerspiegeln. Solche realistischen Vergleiche schaffen Vertrauen und Transparenz, anstatt negative Emotionen zu erzeugen.

Die Auswirkungsanalyse geht Unterbrechungen und Unannehmlichkeiten nach, unabhängig davon, ob sie direkt von den Lagermitarbeitenden mit einer mobilen Anwendung gemeldet werden oder ob sie aufgrund der Effizienzwerte zu einem bestimmten Zeitpunkt identifiziert werden. Sichtbarkeit, Klassifizierung und Bewertung führen fast augenblicklich zu Verbesserungen. Die Einbindung der Belegschaft in diesen Prozess, insbesondere der Analyse der Vorkommnisse, kann zu besseren Lösungen führen und eine engagiertere und kooperativere Arbeitsplatzkultur fördern.

Systematische Verbesserungen und weitere Vorteile

Produktivitätsmanagement ist NICHT gleichzusetzen mit Leistungsmessung. Das Ziel ist vielmehr die fortlaufende Verbesserung des Prozesses und damit auch der Leistung. Es wird auch eine kooperative Kultur gefördert. Das Risiko negativer Emotionen verwandelt sich in einen Motivationsschub.

Die Nutzung des erwarteten Aufwands je Aufgabe als Basis für das Produktivitätsmanagement im Lager ist ein strategischer Ansatz, der zusätzliche Vorteile bieten kann. Kapazitätsplanung ist ein typisches Einsatzgebiet mit dem Ziel „gerade noch ausreichend“. Die Daten können auch im Lieferkettenmanagement von Nutzen sein, insbesondere für Preis- und Sortimentsentscheidungen.